Durm:Wände aus Eisen und Stein. (Eisenfachwerkbau.): Schluß
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Formale Behandlung. (232.)
Von einer architektonischen Ausbildung des Eisenfachwerkbaues kann selbstverständlich nur die Rede sein, wenn das Eisengerippe ganz oder zum größten Teile unverhüllt gezeigt wird. Die Schwierigkeit derselben beruht, wie bei allen Eisenkonstruktionen, die in Verbindung mit Stein auszuführen sind, in der Magerkeit der mit Rücksicht auf Zweckmäßigkeit angeordneten und bemessenen Eisenteile, namentlich bei der Verwendung von Walzeisen und Blech. Auch die am besten durchgebildeten Eisenfachwerkbauten werden ein gewisses trockenes und hartes Aussehen nicht abstreifen können, da die Dünnheit der Wände kräftige Laibungen der Oeffnungen und deren belebende Schattenwirkung nicht zuläßt und alle Gliederungen naturgemäß an Fleischlosigkeit leiden. Wesentlich günstiger in Bezug auf die Schattenwirkung der Oeffnungen sind wegen der tieferen Laibungen die als Hohlwände ausgeführten Eisenfachwerke, welche auf der Pariser Weltausstellung 1889 bei mehreren Bauwerken zur Anwendung kamen (vergl. Art. 220, S. 256).
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Grafik: Fig. 501513) Von der Ménier'schen Chokoladenfabrik zu Noisiel. 1/50 w. Gr. |
Von einer architektonischen Gestaltung in geschichtlich überlieferten Formen kann kaum Gebrauch gemacht werden; die Behandlung wird sich in der Hauptsache auf gefällige Teilung der Massen durch das Eisen und auf Erzielung von farbiger Wirkung zu beschränken haben. Das letztere läßt zur Herstellung des Wandschlusses die Herbeiziehung des Backsteinrohbaues in verschiedenfarbigen, bezw. glasierten Steinen und der mannigfaltigen Terracottawaren als besonders geeignet erscheinen. Das Eisen selbst hat hierzu beizutragen, da es seines eigenen Schutzes wegen schon mit einem Anstrich zu versehen ist, dessen Farbe beliebig gewählt werden kann. Nicht ausgeschlossen, jedoch nur mit weiser Sparsamkeit zu verwerten ist die Ausstattung der eisernen Strukturteile mit gegossenen oder gewalzten512) eisernen Zierstücken. Eine übermäßige Verwendung derselben würde, trotzdem sie auch von Eisen sind, der Eisenkonstruktion doch das Kennzeichnende der Erscheinung rauben.
Am schwierigsten ist die Ausbildung des vollständigen Eisenfachwerkes, wie schon früher betont wurde. Am wenigsten können die genaueren Nachahmungen des Holzbaues befriedigen, wie das in Fig. 386 (S. 232) mitgeteilte Beispiel zeigte. Aber auch die dem Eisen als Konstruktionsstoff Rechnung tragende Schauseite des Ménier'schen Fabrikgebäudes zu Noisiel (vergl. Fig. 390, S. 235) ist, abgesehen von der schönen Verwertung verschiedener Backsteinwaren und von einigen Einzelheiten, vielleicht infolge des Mangels an wagrecht durchgehenden Stockwerksteilungen und der wie zufällig zwischen die Diagonalen hineingesetzten Fensteröffnungen, nicht besonders ansprechend. Zu den eben angeführten geglückten Einzelheiten gehört der ausgekragte Treppenturm an einer der Giebelseiten (Fig. 501513)).
512) Ziereisen des Façoneisen-Walzwerkes L. Mannstädt & Co. in Kalk bei Köln a. Rh. ^ |
513) Faks.-Repr. nach: Encyclopédie d'arch. 1877, Pl. 445. ^ |
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Grafik: Fig. 502 Haus am Trödelmarkt zu Nürnberg514) Arch.: Hecht. |
Ebenfalls zu den glücklicheren Lösungen der Aufgabe gehört der in Fig. 398 (S. 236) dargestellte vorgekragte Verbindungsgang eines Schulhauses.
Die Schwierigkeiten,
welche die Behandlung
der Diagonalen
bietet, hat zur Einschränkung,
Verdeckung
und zur gänzlichen Unterdrückung
derselben Anlaß
gegeben.
Bei dem in Fig. 502 dargestellten Hause am Trödelmarkt zu Nürnberg erscheint das Eisenfachwerk äußerlich als unvollständiges. Es sind hier die aus Flacheisen aufgelegten Diagonalbänder an der Innenseite angebracht und im Putz verborgen. Als weitere Sicherung gegen Verschiebungen ist im Kehlgebälk ein Diagonalnetz aus I-Eisen angeordnet. Die äußere Behandlung ist sehr einfach, aber doch durch die malerische Massengliederung recht glücklich. Wie schon in Art. 229 (S. 267) angeführt wurde, ist das Fachwerk 15cm stark mit Hochofenschlackensteinen ausgemauert, deren lichtgraue Farbe gut zum roten Anstrich des Eisens stimmen soll.
Die Ausführung in Eisenfachwerk wurde hier der sehr beschränkten Baustelle wegen gewählt. Die Gesamtbaukosten betrugen 32_600 Mark, wovon 4500 Mark auf die schwierige Gründung und 10_500 Mark auf die gesamte Eisenkonstruktion, ausschließlich 6 Stahlblechrollläden für Schaufenster und Ladenthüren, entfallen514).
Als weiteres Beispiel zur Behandlung der unvollständigen Eisenfachwerkwände, von denen die in Fig. 450 (S. 250), Fig. 458 (S. 252) und Fig. 462 (S. 254) dar-
514) Nach: Blätter für Architektur und Kunsthandwerk, Bd. x, S. 133 u. Taf. 74. ^ |
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Grafik: Fig. 503 Vom Bahnhof des Champ-de-Mars zu Paris515). |
gestellten hervorgehoben werden
sollen, sei hier ein Wandstück
des für die Pariser Weltausstellung
von 1878 auf dem Champde-Mars errichteten Bahnhofgebäudes
mitgeteilt (Fig. 503515)).
Am leichtesten fügt sich auch bei den Wänden das Gußeisen der architektonischen Ausbildung, wie Fig. 479 (S. 260) zeigte. Hierbei begünstigte der Umstand den glücklichen Erfolg, daß die Eisenfachwerkwand nur einen Teil der Höhe der ganzen Wand einnimmt. Dies erweist sich auch bei Verwendung von Walzeisen günstig, wenn die Ständer außer zur Wandbildung noch weitere Bestimmung erhalten.
Fig. 504516) gibt einen Teil der
Rückwand der seitlich oben offenen Auskleidezellen
eines Schwimmbades (piscine de natation) des Lycée des Vauves, wobei
die Ständer das Dach mit zu tragen haben.
Außer in Bahnhofs-, Markt- und anderen Hallen ist bisher wohl nur selten der Versuch zu einer architektonischen Ausbildung der Eisenfachwerkwände in Innenräumen gemacht worden. Bei den Hallenwänden wird die Behandlung durch die Verbindung erleichtert, in welche in der Regel die Ständer mit den Dachbindern gebracht werden können.
Grafik: Fig. 504516) Vom Schwimmbad des Lycée des Vauves. — 1/100 w. Gr. |
Eines der seltenen Beispiele der Ausgestaltung eines Innenraumes anderer Art ist der in Fig. 505 dargestellte Zeichensaal des Collège Sainte-Barbe in Paris517), der seine schöne Wirkung wohl auch in der Hauptsache der Verbindung der Ständer mit den Dachträgern verdankt. Die Ständer sind kastenförmig aus Blech und Winkeleisen zusammengenietet, mit Ausnahme der schräg in die Winkel gestellten, welche {I}-förmigen Querschnitt haben. Die Eisenkonstruktion wurde hier wohl gewählt, um möglichst an Raum zu gewinnen. In anderen Räumen desselben Gebäudes wurden die Außenwände nur aus ebenfalls kastenförmig gestalteten Stützen mit zwischen ihnen befindlicher Verglasung gebildet, um den Lichteinfall zu vergrößern.
Wertschätzung. (233.)
Die Wahl des Eisenfachwerkes zur Herstellung von Wänden kommt bis jetzt in Deutschland nur erst vereinzelt in Frage, während dasselbe in Frankreich häufiger
515) Faks.-Repr. nach: Encyclopédie d'arch. 1878, Pl. 549. ^ |
516) Faks.-Repr. nach: Ebendas. 1881, Pl. 759. ^ |
517) Faks.-Repr. nach: Encyclopédie d'arch. 1882, Pl. 819, 820. ^ |
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Grafik: Fig. 505 Zeichensaal im Collège Sainte-Barbe zu Paris517). Arch.: Lheureux. |
angewendet wird, was darin seinen Grund hat, daß dort das Eisen überhaupt viel mehr in den Hochbau eingeführt ist, wie die fast ausschließliche Bildung der Zwischengebälke mit Hilfe desselben beweist. Aber auch dort wird das Eisen zumeist nur dann angewendet, wenn es besondere Vorteile verspricht. Die größere Billigkeit gegenüber anderen Bauweisen, welche die ausgedehntere Einführung begünstigen müßte, scheint im allgemeinen noch nicht erreicht zu sein. Sie ergibt sich nur in denjenigen Fällen, wo bei sehr teuerem Grund und Boden oder sehr geringer Tragfähigkeit desselben der durch die geringe Wanddicke, welche das Eisenfachwerk ermöglicht, erzielte Raumgewinn oder die damit verbundene Ersparnis an den Gründungen die höheren Ausführungskosten der Wände übersteigen. Raumgewinn und erleichterte Gründungsweise sind auch die Ursachen, welche in
517) Faks.-Repr. nach: Encyclopédie d'arch. 1882, Pl. 819, 820. ^ |
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vielen Fällen zur Wahl des Eisenfachwerkbaues trotz etwas erhöhter Baukosten
bestimmen.
Bei einem von Kunnhenn in Rotthausen bei Essen ausgeführten Schulhause, welches aus äußerlich mit Backsteinmauerwerk verkleidetem Eisenfachwerk besteht, das nach eingetretenen Senkungen durch vorgesehene Windevorrichtungen wieder in die wagrechte Lage gebracht werden kann (vergl. S. 241 u. 269), haben sich die Baukosten bei Verwendung von 40_000kg Fassoneisen nur etwa 1200 Mark teurer gestellt, als bei gewöhnlichem Massivbau. Das Quadratmeter des zweistöckigen Hauses von 230qm Grundfläche mit Kniestock kostete 100 Mark. Der Bau würde sich noch billiger gestellt haben, wenn leichtere Eisensorten, wie wohl zulässig, zur Versügung gestanden hätten518).
Auch die 1888 in Montigny bei Metz ausgeführten Militärpferdeställe haben nur wenig mehr (4,5 Prozent) als in Holzfachwerk gekostet519).
Dazu kommen allerdings noch einige Vorteile des Eisenfachwerkbaues. Derselbe gestattet größtmöglichstes Oeffnen der Wände und damit beste Beleuchtung der Innenräume. Die Strukturteile werden in den Werkstätten vollständig fertig und genau passend hergestellt, so daß das Aufstellen, einschl. des Aufschlagens des schützenden Daches, auf dem Bauplatze nur verhältnismäßig geringe Zeit erfordert und dadurch die Ausführung der Gebäude bei ungünstigen Verhältnissen von Wetter und Jahreszeit wesentlich erleichtert wird. Diesen Vorteil besitzt nun allerdings auch der Holzbau. Er läßt sich aber mit letzterem in sehr vielen Fällen der ihm entgegenstehenden bau- und feuerpolizeilichen Bestimmungen wegen nicht erreichen, so daß man unter gegebenen Umständen zum Eisen zu greifen gezwungen ist, auch wenn man diesem eine größere Feuerbeständigkeit als dem Holze nicht zugestehen will. Ist nun die Dauer des Eisens im Feuer auch keine größere, so wird bei der Verwendung desselben doch die Menge des entzündbaren Stoffes verringert und damit die Feuersicherheit der Gebäude erhöht, wenn auch lange nicht die der reinen Steinbauten erreicht. Aehnliches, wie bei diesem, ist nur durch vollständige Umhüllung des Eisens mit feuerbeständigen Stoffen zu erzielen, ohne daß man einige Vorteile desselben, wie inniger Zusammenhang der Konstruktion und Dünnheit der Wände, aufzugeben hat. Damit begibt man sich allerdings der Möglichkeit, die Eisenkonstruktion architektonisch zum äußeren Ausdruck zu bringen. Die Sprödigkeit des Stoffes überhaupt gegen die formale Behandlung ist es hauptsächlich, welche auch in denjenigen Fällen, wo seine Anwendung ganz am Platze wäre, von seiner Wahl häufig Abstand nehmen läßt.
Der eben erwähnte innige Zusammenhang der Konstruktionsteile, der einer Eisenfachwerkwand bei großer Festigkeit in geringer Maße verliehen werden kann, sichert derselben ein Gebiet der Ausführungen, in dem sie allen anderen Konstruktionen überlegen ist, nämlich die Herstellung von Bauwerken auf unsicherem Grund und Boden, welcher ungleichen Senkungen und Erschütterungen infolge von Erdbeben oder Bergschäden ausgesetzt ist. Der Eisenfachwerkbau ist hier nicht nur widerstandsfähiger als andere Konstruktionsweisen, sondern auch leicht wieder in eine richtige Lage zu bringen, wie oben (Art. 217, S. 241) schon angeführt wurde.
Dem Holzfachwerkbau kann bei zweckmäßiger Herstellung, wie dies viele Beispiele beweisen, eine Dauer von mehreren Jahrhunderten gegeben werden. Zahlreiche andere Fälle bezeugen aber auch raschen Verfall solcher Bauten, insbesondere durch das in neuerer Zeit so häufige Auftreten des Hausschwammes. Diesem entgeht man nun an den Hauptbauteilen sicher, wenn man sie aus Eisen herstellt. In dieser
518) Nach: Kölnische Zeitung 1881, Nr. 223, 1. Bl. ^ |
519) Siehe: Zeitschr. f. Bauw. 1889, S. 504. ^ |
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Beziehung ist also der Eisenfachwerkbau von größerer Dauer als der Holzbau,
während dies im allgemeinen wegen mangelnder genügend alter Bauwerke sonst
nicht mit voller Sicherheit behauptet werden kann. Doch für allseitig von Stein
oder Mörtel dicht umhülltes Eisenwerk läßt sich dies mit großer Wahrscheinlichkeit
erwarten, da zahlreiche Erfahrungen bewiesen haben, daß von Luft- und Feuchtigkeitszutritt
abgeschlossenes Eisen von Rost nicht angegriffen wird. Das Rosten kann
nur so lange stattfinden, als der Mörtel Feuchtigkeit abgibt; später wird er schützend
wirken, und zwar um so mehr, je dichter er ist, was zu Gunsten der Anwendung
von Cementbeton für die Verblendung und Ausfüllung des (dann aber nicht mit Anstrich
zu versehenden) Eisenfachwerkes spricht.
Die Verwendung des Eisens zu Hochbauten führt einen hier zu erwähnenden Mißstand mit sich, nämlich die stärker als bei anderen Stoffen auftretende Schallfortleitung, die besonders bei mehrstöckigen Wohngebäuden störend wirkt. Sie kann durch Isolierung des Fußbodens vom Deckengebälke und durch geeignete Wandbekleidungen gemildert werden520).
520) Geschichtliche Notizen über die Entstehung und Entwickelung des Eisenfachwerkbaues finden sich in der 1. Auflage des vorliegenden Heftes (Art. 236, S. 301), denen hinzuzufügen wäre, daß für die weitere Ausgestaltung dieser Bauweise die Weltausstellung zu Chicago (1893), trotz der ungemein ausgedehnten Verwendung des Eisens, wenig fruchtbringend gewesen ist. Dagegen setzt die Kühnheit der seit 1889 in den Vereinigten Staaten von Nordamerika in Aufnahme gekommenen riesenhaften Wohn- und Geschäftshäuser die Welt in Erstaunen. ^ |