Durm:Wandverstärkungen
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Vorbemerkung. (336.)
Ersparnisse bezüglich des Materialaufwandes lassen sich bei der Herstellung von Bauwerken dadurch erzielen, dass man den Mauern nicht auf ihre ganze Länge und Höhe eine ihrer Beanspruchung angemessene gleiche Dicke gibt und sie nicht immer nur in dem gleichen Material aufführt, sondern sie an geeigneten Stellen verstärkt.
Diese Verstärkungen können entweder in einer Vergrößerung der Standsicherheit durch geschickte Anordnung des Grundrisses oder des Querschnittes der Mauer oder durch geeignete Verbindung mit anderen Konstrukionsteilen bestehen, oder sie können auf Erhöhung der Festigkeit der ganzen Mauer durch passende Verteilung von festerem und weniger festem Material abzielen. Beide Verstärkungsweisen können auch gleichzeitig in Anwendung kommen.
Verstärkung der Standsicherheit. (1)
Uebersicht. (337.)
Die Standsicherheit eines Mauerkörpers kann erhöht werden, indem man, gleiche Querschnittsgröße vorausgesetzt, von der gewöhnlichen rechteckigen Querschnittsform abgeht und ihn nach oben hin verjüngt. Damit wird nicht nur der Schwerpunkt desselben tiefer gerückt, sondern auch die Aufstandsfläche verbreitert und damit das Kippen um eine Kante erschwert. Zu den Mitteln, eine Verjüngung des Querschnitts herbeizuführen, gehören die Anordnungen von Sockelvorsprüngen, Böschungen, Abtreppungen und die Abschwächung der Mauern in den oberen Geschossen. Diese Mittel sind im vorhergehenden schon mehrfach besprichen worden und bedürfen daher keiner weiteren Erörterungen.
Die Gestaltung des Grundrisses einer Mauer ist insofern auf die Standsicherheit von Einfluss, als durch Anordnung von Vorsprüngen in passenden Abständen, den Pfeilvorlagen und Strebepfeilern, dieselbe erhöht wird, indem unter Verringerung der Masse der Abstand der Schwerlinie des ganzen Mauerkörpers von der Drehkante eine Vergrößerung gegenüber dem bei einer gleich dicken Mauer ohne Strebepfeiler erfährt. Damit ist in der Regel auch eine Raumersparnis, jedoch andererseits -- Fig. 689. — auch eine verhältnismäßig teurere Ausführung verbunden.
Auch die zwischen den Pfeilern befindlichen
Mauerfelder, die Mauerschilder, können durch ihre
Grundrissbildung zur Vergrößerung der Standsicherheit
herangezogen werden, indem man sie gekrümmt
herstellt und ihre gewölbte Seite der Richtung der
abgreifenden Kraft zukehrt. Die Wikrung der letzteren
wird dadurch auf die Seiten der Pfeiler übertragen
und hebt sich in diesen gegenseitig auf, sobald
es sich um Zwischenpfeiler handelt. Bei den Endpfeilern
der Mauer ist dies nicht der Fall; dieselben
müssen daher entsprechend stärker gemacht werden.
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Eine Anordnung dieser Art zeigen die Umfassungsmauern des Kellergeschosses der St. James's Electric Light Central Station zu London (Fig. 689711)).
Einen ähnlichen Erfolg kann man dadurch erzielen, daß man die der angreifenden Kraft abgekehrte Seite der Mauerschilder im Bogen in die Pfeilervorsprünge überführt. Die Schilder verstärken sich hierbei allmählich nach den Pfeilern zu.
Erhöhte Standsicherheit der Mauern kann auch durch geeignete Verbindung mit anderen Konstruktionsteilen erzielt werden, und zwar indem die letzteren entweder dadurch zum Widerstand gegen Beanspruchungen mit herangezogen werden oder indem sie diese ganz aufnehmen. Im ersten Falle findet die Ueberleitung des Druckes — hier kommen nur der Winddruck und die Beanspruchung durch Erschütterungen oder ungleichmäßige Bodensenkungen in Betracht — von einer Mauer auf die andere, und damit die Verteilung desselben durch Balkenlagen oder Gurtbogen oder Strebebogen oder Verankerungen statt. Im zweiten Falle wird eine Entlastung der Mauer von lotrechten Drücken oder Seitenschüben durch vor- oder eingelegte Stützen aus Holz oder Eisen herbeigeführt, welche dieselben aufzunehmen haben.
Von einer Besprechung der Gurt- und Strebebogen kann hier abgesehen werden, da diese besser an die der Gewölbekonstruktionen (siehe Teil III, Band 2, Heft 3 dieses »Handbuches«) sich anschließt. Das Gleiche gilt in der Hauptsache von den Pfeilervorlagen und Strebepfeilern. Auch die Verankerungen mit anderen Konstruktionsteilen finden naturgemäß ihre Behandlung bei den Balkendecken, Gewölben (siehe im gleichen Hefte) und Sicherungen gegen Erderschütterungen und Bodensenkungen (siehe Teil III, Band 6 dieses »Handbuches«, Abt. V, Abschn. 1, Kap. 3). Ebenso verhält es sich mit den den Mauern zur Entlastung von lotrechten Drücken oder Seitenschüben ein- oder vorgelegten Konstruktionsteilen von Eisen und Holz, welche zu den Stützen der Balkendecken und Gewölbe gehören.
Daher bleiben für die Besprechung an diesem Orte nur die mit Rücksicht auf den Winddruck angeordneten Mauerpfeiler übrig.
Pfeilervorlagen und Strebepfeiler. (338.)
Pfeilervorlagen und Strebepfeiler sind nicht wesentlich voneinander verschiedene, lotrecht aufsteigende Mauervorsprünge. Die Pfeilervorlagen (Wandpfeiler, Lisenen) behalten gewöhnlich ihre Breite und Dicke auf ihre ganze Höhe bei und sind häufig unter dem oberen Mauerabschluß untereinander durch ebenso weit vorspringende Rollschichten oder Bogenfriese oder Bogen verbunden. Im letzteren Falle bilden sich in den Mauern Nischen oder Blenden. Die Strebepfeiler läßt man häufig in der Breite, namentlich aber in der Größe des Vorsprunges nach oben hin abnehmen; sie endigen entweder unter dem oberen Mauerabschluß, oder sie verkröpfen sich mit demselben oder durchschneiden ihn; selten sind sie unter ihm miteinander verbunden, obgleich auch solche Verbindungen vorkommen, die dann aber gewöhnlich nur auf einen Teil des Vorsprunges ausgeführt werden.
In Bezug auf die Lage des Vorsprunges der Verstärkungspfeiler zu den Mauern des Gebäudes sind drei Fälle zu unterscheiden: der Vorsprung fällt ganz nach außen oder ganz nach innen, oder er verteilt sich auf beide Seiten. Die für die Standsicherheit vorteilhafteste Lage des Vorsprunges bei einer einzeln stehenden Mauer muß die der Kraftrichtung abgekehrte sein (Fig. 691). Für den Winddruck, der hier allein in das Auge zu fassen ist, wäre diese bei einem Gebäude der Vorsprung
| 711) Nach: Engineer, Bd. 70, S. 188. ^ |
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| Grafik: Fig. 690, Fig. 691, Fig. 692 |
nach innen. Da aber der Wind von verschiedenen
Seiten kommen und von der getroffenen
Mauer auf die gegenüberstehende
übertragen werden kann, auf welche auch je
nach der Steilheit des Daches mehr oder
weniger vom Windschub des letzteren abgegeben
wird, so ist bei geschlossenen Gebäuden
dem Vorsprung des Pfeilers nach außen
(Fig. 690) der Vorzug zu geben. Hierbei ist
eine solche Verbindung von Mauerschildern
und Pfeilern vorausgesetzt, daß beide zusammen den erforderlichen Widerstand leisten
können und die ersteren an den letzteren die genügende Unterstützung finden. Dafür
ist aber die Anordnung eines Vorsprunges nach beiden Seiten der Mauer (Fig. 692)
am geeignetsten und daher den beiden anderen Bildungen vorzuziehen.
Die Entfernung der Pfeilerverstärkungen voneinander wird in der Regel von der räumlichen Einteilung und der formalen Ausbildung des Gebäudes abhängig sein; ebenso wird die Mauerdicke des Schildes mit Rücksicht auf die gegebenen Verhältnisse und die zulässigen Mindestdicken bestimmt werden können.
Immerhin wird es manchmal wünschenswert sein, zu prüfen, ob für die gegebene Strebepfeilerentfernung die gewählte Mauerdicke ausreichend ist. Ein Weg dazu ist der, das Mauerschild als eine auf zwei Seiten aufruhende, durch den Wind gleichmäßig auf Durchbiegung beanspruchte Platte anzusehen. Je inniger der Zusammenhang des Mauerkörpers ist, um so zulässiger wird diese Berechnungsweise sein. Es ist bekanntlich ________________________________________ worin M das größte Biegungsmoment, k die zulässige Beanspruchung für die Flächeneinheit und {J-a} das Widerstandsmoment bedeuten. Im vorliegenden Falle ist ________________________________________ worin l die Entfernung der Stützpunkte und p die Belastung für die Längeneinheit, hier den Winddruck für 1qm getroffener Wandfläche (= 120kg), bezeichnen. Ferner ist ________________________________________ wenn man d als Mauerdicke annimmt und einen Streifen von 1m Höhe in Rechnung zieht.
Die Biegungsfestigkeit von Mauerwerk ist unbekannt; man wird sich daher damit begnügen müssen, für k die zulässige Beanspruchung des Mörtels auf Zugfestigkeit zu setzen.
Alsdann ergibt sich ______________________________________
Diese Berechnungsweise ist nur zulässig, wenn das Mauerschild in den Strebepfeilern eine genügende Unterstützung findet, wenn diese also einen Vorsprung nach der dem Winde abgekehrten Seite haben. Die Sicherheit, welche der Aufstand des Mauerschildes auf der Grundmauer und die Belastung durch die Balkenlage bieten, ist nicht mit in Rechnung gezogen; dagegen ist auch keine Rücksicht auf die Höhe genommen.
Beispiel. Die Länge des Mauerschildes sei 4,5m und die Stützweite l = 5,0m; als zulässige Beanspruchung des Luftkalkmörtels werde k = 1kg für 1qcm oder k = 10_000kg für 1qm angenommen. Es ist dann ____________________________________ und ____________________________________
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Die Breite des Strebepfeilers, d. h. seine Abmessung in Richtung der Mauerlänge
kann ebenfalls nach Maßgabe der Umstände festgestellt werden, während
die Abmessung senkrecht zur Mauerlänge durch Berechnung der Stabilität eines aus
einem Schild und einem Strebepfeiler zusammengesetzten Mauerstückes gefunden
werden müßte.
| Grafik: Fig. 693, Fig. 694 |
Diese Berechnung ist unter Annahme eines auf die ganze Höhe gleichbleibenden rechteckigen Querschnittes des Strebepfeilers, und wenn man ein Mauerstück für sich allein, ohne Rücksicht auf den Zusammenhang mit dem Gebäude, betrachtet und nur die Stabilität gegen Umkanten untersucht, nicht schwierig.
I. Fall: Der Strebepfeiler sei der Windrichtung zugekehrt (Fig. 693).
Es sei W der Winddruck, G das Gewicht, F die Grundfläche und h die Höhe der Mauer, l1 die Länge des Mauerschildes, d1 die Dicke desselben, l2 die Breite des Strebepfeilers, d2 die Dicke desselben, γ das Gewicht der Raumeinheit des Mauerwerkes und a1 der Abstand des Lotes durch den Schwerpunkt der Mauer von der Drehkante D D. Bei m-facher Sicherheit muß dann sein: __________________________ worin G = F h γ = (l1d1 + l2d2) h γ und ________________________ woraus ____________________
Beispiel. Für l1 = 4,5m, l2 = 0,5m, d1 = 0,5m, h = 8,0m, γ = 1600kg für 1cbm Backsteinmauerwerk und m = 1,5 berechnet sich W = 5 . 8 . 120 = 4800kg, und dann ____________________________d2 = 2,6m.
II. Fall. Der Strebepfeiler sei der Windrichtung abgekehrt (Fig. 694).
Hierfür berechnet sich ____________________ und dann ____________
Beispiel. Unter denselben Annahmen, wie oben, ergibt sich ____________________________d2 = 1,1m.
III. Fall. Der Strebepfeiler springe zu beiden Seiten der Mauer gleich viel vor (Fig. 695).
Dann ist __________________________a1 = a2 = {1-2} d2 und __________________
Beispiel. Für die obigen Annahmen wird ____________________________d2 = 1,5m.
Wenn die Dicke einer Mauer ohne Strebepfeiler bekannt ist, so läßt sich dann leicht die Strebepfeilerdicke einer mit Strebepfeilern versehenen Mauer von gleicher Stabilität berechnen.
Ist f1 die Grundfläche des Mauerschildes, f2 die des Strebepfeilers und F die der Mauer ohne Strebepfeiler, deren Dicke mit d und deren Länge mit l
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| Grafik: Fig. 695 |
bezeichnet werden soll, während sonst die früheren Bezeichnungen beibehalten werden,
so berechnet sich für den Fall I der Abstand a1 des Schwerpunktes der Mauer mit
Strebepfeilern von der Drehkante aus der Gleichung
________________________(f1 + f2) a1 = f1 {1-2} d1 + f2 {1-2} d2.
Sollen beide Mauern gleiche Stabilität haben, so muß ____________________________(f1 + f2) a1 = F {1-2} d sein, oder ____________________________l d2 = l1d12 + l1d22, woraus __________________________
Die Dicke d der Mauer ohne Strebepfeiler findet sich aus der Momentengleichung
__________________________m W {1-2} h = G {1-2} d.
Da G = d h γ, so ist ________________________________
Beispiel. Es sei wie früher l = 5,0m, l1 = 4,5m, l2 = 0,5m, h = 8,0m, d1 = 0,5m, γ = 1600kg und m = 1,5. Es ist dann W = 8 . 120 = 960kg für 1m Länge und ____________________ ________________ was mit dem früheren Ergebnis übereinstimmt (vergl. S. 382).
Schwieriger und umständlicher wird die Berechnung, wenn Rücksicht auf die in der Aufstandsfläche sich ergebenden Spannungen genommen werden soll.
Nur Druckspannungen sind vorhanden, wenn die Mittelkraft der auf Umsturz wirkenden Kräfte zwischen die in der mit der Kraftrichtung zusammenfallenden Schwerachse der Aufstandsfläche der Mauer liegenden Kernpunkte fällt. Daher ist wenigstens die Lage des dem Winddruck abgekehrten Kernpunktes zu bestimmen, durch den äußersten Falles die Mittelkraft gehen darf. Der Abstand dieses Punktes vom Schwerpunkte des Grundrisses ist in die Stabilitätsgleichung einzusetzen, aus der dann die Mauerdicke berechnet werden kann.
| Grafik: Fig. 696 |
Hier soll nur der Fall III der Strebepfeileranordnung (Fig. 696) untersucht werden. Neben Beibehaltung der früher angewendeten Bezeichnungen sei e2 der Abstand des fraglichen Kernpunktes (K2) von dem hier mit dem Mittelpunkte des Grundrisses zusammenfallenden Schwerpunkte S desselben. Man hat nun ________________________________ worin J das Trägheitsmoment des Grundrisses für die Schwerachse Y Y des Grundrisses, F die Fläche des letzteren und a2 den Abstand des Schwerpunktes von der Drehkante D D bedeuten.
Es ist ferner ________________ ____________________________
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Die Stabilitätsgleichung ist
________________________________
woraus sich die kubische Gleichung
____________________________
ergibt, aus welcher d2 berechnet werden kann.
Die beiden anderen Fälle der Strebepfeileranordnung ergeben für die Berechnung von d2 Gleichungen noch höherer Grade.
Die Druckspannung in der Drehkante kann auf dem früher (in Art. 304, S. 359) angegebenen Wege ermittelt werden.
Verstärkung der Festigkeit. (2)
Allgemeines. (339.)
Regelrechter Verband und gute Mörtelverbindung der Steine einer Mauer reichen oft nicht aus, um derselben genügende Sicherheit gegen die Einwirkungen von Erschütterungen und ungleichmäßigem Setzen infolge von Bodensenkungen zu verleihen. Wie schon im vorhergehenden Bande (Art. 105, S. 83 [2. Aufl.: S. 85]) dieses »Handbuches« erörtert wurde, werden zur Erhöhung der hierbei namentlich in Anspruch genommenen Zugfestigkeit die Verklammerungen und Verankerungen angewendet. Bezüglich der letzteren sind hier einige Ergänzungen zu machen, insoweit dies nicht in Teil III, Band 6 (bei Besprechung der Sicherungen gegen die Wirkungen von Bodensenkungen und Erderschütterungen) dieses »Handbuches« geschieht.
Die Verankerungen bezwecken die Herstellung von in sich möglichst zusammenhängenden Mauerkörpern und Mauersystemen, damit bei Eintritt der erwähnten Beanspruchungen die ganze Mauer oder das ganze Mauersystem am Widerstand gegen dieselben teilnimmt. Man sucht dies durch Einlagen von zugfesten Stoffen, wie Eisen und Holz, zu erreichen. Man hat dabei allerdings mit der Vergänglichkeit dieser Stoffe zu rechnen. Bei Mitverwendung der Mörtelverbindung erfüllen sie ihren Zweck aber jedenfalls, bis der Mörtel selbst seine größte Zugfestigkeit erlangt hat und damit jene Hilfskonstruktionen mehr entbehrlich macht. Man hat auch Beispiele, daß das Eisen bei genügendem Schutze gegen die dauernde Einwirkung der Feuchtigkeit sehr lange seine Festigkeit bewahrt. Andererseits ist auf die Gefahren aufmerksam zu machen, welche die mit Ausdehnung verbundene Oxydation des Eisens für Quader, in welche es eingelassen ist, mit sich bringt, und welche die nach Vermoderung des Holzes in den Mauern entstehenden großen Höhlungen herbeiführen.
Erwähnung mag hier noch finden, daß Verankerungen häufig auch zur Wiederherstellung von Gebäuden angewendet werden, welche in ihrem Bestande schon Not gelitten haben.
Zu gleichem Zwecke, wie Klammern und Anker, kommen auch, wie ebenfalls schon im vorhergehenden Bande (Art. 95 bis 103, S. 77 bis 82 [2. Aufl.: S. 79 bis 84]) dieses »Handbuches« besprochen wurde, besondere Formungen der Fugenflächen in Anwendung. Abgesehen von den größeren Kosten, die diese Mittel veranlassen, sind sie im allgemeinen wegen der verhältnismäßig geringen Zug- und Scherfestigkeit der meisten Steinarten nicht besonders zweckmäßig.
Verankerungen aus Holz. (340.)
Einlagen von Holz in den Mauern zur Erhöhung der Festigkeit derselben sind eine mehr der Geschichte angehörige Konstruktion und werden heutigen Tages bei den Hochbauten der kultivierteren Länder kaum mehr benutzt.
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Im Altertum und im Mittelalter war Holz dagegen ein beliebtes Mittel zur Verstärkung der Mauern.
Nach Schliemann fanden sich die Spuren desselben in den Lehmziegelmauern von Troja und Tiryns; die
Römer benutzten die in die Mauern eingelegten Riegel ihrer leichten Baugerüste zu gleichem Zwecke;
die Gallier und Dacier legten Holzroste, bezw. Schichten von Rundhölzern, die von Langhölzern eingefaßt
werden, in ihre Festungsmauern ein, und auch bei den germanischen Ringwällen scheint ähnliches
vorgekommen zu sein. Im Mittelalter verwendete man die Rüsthölzer nach dem Vorbilde der Römer
(ein Beispiel hierfür bietet der Turm des Schlosses zu Erbach i. O.), oder man legte besondere Hölzer
in vielen Fällen zur Verankerung ein, die jetzt zumeist ihr früheres Vorhandensein durch Höhlungen und
Kanäle erraten lassen und nur in wenigen Fällen erhalten geblieben sind (ein Beispiel für letzteres liefert
der Kirchturm von Dittelsheim in Rheinhessen713). Die Byzantiner714) und nach ihnen die Mohammedaner
715) haben von Holzeinlagen in Mauern ausgiebigen Gebrauch gemacht, wie sich diese Bauweise bis
heutigen Tages im Orient erhalten hat und trotz ihrer Mängel wegen des Schutzes, den sie gegen Erdbeben
bietet, dort geschätzt wird716).
Bei Ingenieurbauten, so zum Schutze von Flußufern und gegen Murgänge, wird in den österreichischen Alpenländern von Holzeinlagen in wagrechter und lotrechter Lage in Trockenmauern noch vielfach Gebrauch gemacht.
Verankerungen aus Eisen. (341.)
Werden alle Steine eines Quadermauerwerkes durch Eisenklammern ein- oder mehrfach verbunden, so entsteht eine sehr wirksame Verankerung desselben, die aber dadurch gefährdet wird, daß infolge der vielen Eingriffe des Eisens in den Stein die Möglichkeit des Zersprengtwerdens des letzteren durch das erstere stark vermehrt wird.
Viollet-le-Duc717) teilt ein einschlägiges Beispiel von der Kathedrale zu Paris mit, bei welchem sämtliche Quader der drei Schichten des Chorgesimses durch je zwei Klammern miteinander verbunden sind. Fast alle Quader sind aber der Länge nach durch das oxydierte Eisen gesprengt worden, so daß dieser Mauerteil in drei getrennte Ringe zerfiel. Einen ähnlichen Erfolg hatte die an sich weniger gefährliche, im vorhergehenden Bande (in Fig. 440, S. 162 [2. Aufl.: Fig. 450, S. 175]) dieses »Handbuches« dargestellte und an der Sainte-Chapelle zu Paris angewendete Klammerverbindung.
Besser sind daher diejenigen Verankerungen, bei welchen das Eisen in der Hauptsache in die Fugen des Mauerwerkes, bezw. zum Teile vor dasselbe gelegt wird.
Hierbei sind zwei Arten von Ankern zu unterscheiden. Sie bestehen entweder in schwachen Bandeisen, welche zu mehreren nebeneinander in die Fugen eingelegt und an den Enden um die letzten Steine herumgebogen werden. Dies ist der schon im vorhergehenden Bande (Art. 105, S. 84 [2. Aufl.: S. 87]) dieses »Handbuches« besprochene Reifeisenverband, der zwar hauptsächlich bei Backsteinmauerwerk mit großem Erfolg verwendet wird, in England aber auch für Betonmauern benutzt worden ist.
Eine Verwendung von Bandeisenankern zur Verbindung von Bruchsteinumfassungen mit Lehmsteinscheidewänden ist in untenstehender Quelle718) mitgeteilt.
Oder die Anker werden aus Quadrat- oder besser Flacheisenstangen hergestellt, an deren Enden lotrecht stehende Splinte oder Gußeisenstücke befestigt sind, welche die Verspannung der Mauerkörper bewirken sollen. Die letzteren werden immer vor die Mauern, die ersteren entweder vor oder in die Mauern gelegt. Diese Konstruktionsteile entsprechen im allgemeinen den bei den Balkenankern719) zu gleichem Zwecke angewendeten. Bei Quadermauern kommen auch die den Klammerfüßen entsprechenden umgebogenen und aufgehauenen Enden in Anwendung. Bei
| 713) Geschichtliche Angaben über die Verwendung des Holzes zu Mauerankern finden sich in: Zeitschr. f. Bauw. 1887. S. 239 — Viollet-le-Duc. Dictionnaire raisonné etc. Bd. 2 (Paris 1859), S. 396 — und Bd. 4 (Paris 1861), S. 12. ^ |
| 714) Siehe: Choisy, A. L'art de bâtir chez les Byzantins. Paris 1882. S. 116. ^ |
| 715) Vergl. Teil II, Band 3, zweite Hälfte (Art. 30, S. 35) dieses »Handbuches«. ^ |
| 716) Vergl.: Centralbl. d. Bauverw. 1890, S. 410. ^ |
| 717) A. a. O., Bd. 2, S. 400. ^ |
| 718) Romberg's Zeitschr. f. prakt. Bauk. 1858, S. 349. ^ |
| 719) Besprochen im vorhergehenden Bande (Art. 273, S. 179 [2. Aufl.: Art. 279, S. 194]) dieses »Handbuches«. ^ |
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großer Länge der Mauern müssen die Eisenstangen aus mehreren Stücken zusammengesetzt
werden. Die Verbindung erfolgt nach einer der im vorhergehenden Bande
(Art. 233, S. 162 [2. Aufl.: Art. 238, S. 174]) dieses »Handbuches« angegebenen
Weisen.
Je nach der Höhe der Geschosse werden diese Mauerverankerungen entweder ein oder mehrere Male ausgeführt und mit denen der Umfassungen diejenigen für die Scheidewände in Verbindung gebracht.
Besonders wichtig sind diese Verankerungen bei den Glockentürmen und manchen Fabrikgebäuden, wegen der andauernden und häufig wiederkehrenden Erschütterungen.
Nicht in die Mauern eingelegte, sondern im größeren Teile ihrer Länge sichtbar
bleibende Anker werden häufig Schlaudern genannt.
Sehr ausgedehnte Verankerungen wurden am Königsbau in München angewendet720). So wurden dort alle Scheidemauern mit den aus Quadern mit Backsteinhintermauerung hergestellten Frontmauern durch Schienen von 2,9m bis 4,4m Länge einmal auf die Höhe eines Geschosses verankert, in den Fußbodenhöhen jedoch durch in die Mitte der Scheidemauern gelegte Anker beide gegenüberstehende Frontmauern miteinander verbunden. Die Ankerungen wiederholten sich danach in Höhenabständen von etwa 4,4m. Die Zwischenankerungsschienen erhielten 49mm Breite und 12mm Dicke, die Hauptanker dieselbe Breite und 18mm Dicke. Diese Verankerungen waren für nötig gehalten worden, weil man, um die schädlichen Wirkungen ungleichmäßigen Setzens zu verhüten, die Scheidemauern, welche mehr und dickere Mörtelfugen und anders bemessene Backsteine, als die Frontmauern enthielten, nicht mit diesen in Verband gebracht, sondern in Nuten derselben eingesetzt hatte.
Die Anker endeten an den Frontmauern, da sie dort stets auf Quader trafen, in Pratzen (Fig. 697). Lag die Verbindungsstelle in der Nähe einer Stoßfuge, so wurde der Anker gegabelt und mit zwei Pratzen versehen. Diese wurden mit Schwefel vergossen oder mit Blei, wenn die Ankerung nicht sogleich gegen zufällige Beunruhigungen geschützt werden konnte.
Das andere, verbreiterte Ende der Zwischenanker erhielt ein rundes Loch, durch welches ein 0,73m langer, 43mm dicker cylindrischer Dorn gesteckt und dann vermauert wurde.
Die durch die ganze Tiefe des Gebäudes reichenden Hauptankerungen bestanden gewöhnlich aus drei Stücken (Fig. 697), welche mit ihren durchlochten Enden übereinander gelegt und mit Dornen der angegebenen Art verbunden wurden. Damit die Schienen alle in eine Ebene fielen, wurden die Enden des Mittelstückes um die Schienendicke aufgekröpft. Endigte der Anker in Ziegelmauerwerk, so wurden die gewöhnlichen Dorne oder auch Splinte (Fig. 697 rechts) angebracht.
Der Einlage dieser Ankerungen traten oft Hindernisse in Schornsteinen oder Heizkanälen entgegen. Man gabelte dann an den betreffenden Stellen die Schienen und führte sie zu beiden Seiten der Rohre hin (Fig. 698). Die betreffenden Schienen wurden an diesen Stellen vor den Gabelungen durch Spreizen auseinandergehalten.
Außer den in die Scheidemauern eingelegten Ankern kamen über den Balkenlagen an verschiedenen Stellen auch noch frei liegende, durch die Gebäudetiefe hindurchreichende Schlaudern zur Verbindung der gegenüberstehenden Fensterpfeiler in Anwendung. Standen die Fensterpfeiler nicht in einer Achse, so nahm man zu langen Gabelstücken seine Zuflucht (Fig. 699). Solche sichtbare Anker wurden in die Balken eingelassen, mit kleinen Klammern befestigt und zum Schutz gegen Beschädigungen einstweilen überdeckt.
An solchen Stellen, wo die eben erwähnten Verankerungen nicht sogleich mit den Mauerarbeiten fertig gestellt werden konnten, wurden die in Fig. 700 dargestellten kurzen Ankerenden eingemauert, in deren Oesen man später die sehlenden Stücke einhängte.
Ueber den weit ausladenden Architraven des mittleren Aufbaues wurden Anker besonderer Art auch in den Umfassungen angewendet, über welche in der angegebenen Quelle nachgesehen werden möge. An den Ecken wurden dieselben in der beschriebenen Weise durch Dorne verbunden (Fig. 701).
Zur Erhöhung der Festigkeit von Backsteinmauern sind an Stelle der Einlage von Bandeisen oder Eisenschienen auch solche von gewalzten Formeisen vorgeschlagen worden.
| 720) Siehe: Allg. Bauz. 1837, S. 67 u. Taf. CI. ^ |
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| Grafik: Verankerungen am Königsbau zu München720).Fig. 697, Fig. 698, Fig. 699, Fig. 700, Fig. 701 |
So besteht der sog. Eisenbandbau von Daelen sen.721) in der Einlage von etwa 65mm hohen, flach
gelegten {I}-Eisen mit sehr schmalen Flanschen in die 1/2 Stein starken Backsteinwände. Sie sollen sich alle
10 Schichten wiederholen und in Cementmörtel gelagert werden. Mit den wagrechten Eisen können in
gemauerten Pfeilervorlagen untergebrachte lotrechte {I}-Eisen verbunden werden. Die Verbindung soll durch
eiserne Würfel erfolgen, in welche über Kreuz die Flansche und ein Teil des Steges der {I}-Eisen ausgestoßen
sind, oder welche entsprechend aus schmiedbarem Guß hergestellt werden. Auf diese Weise sollen
sich beide {I}-Eisen unabhängig voneinander nach beiden Richtungen bewegen können. Es steht nur zu
befürchten, daß sie hieran ohne kostspielige Gegenvorkehrungen durch das Einrosten verhindert werden.
An den Ecken sollen die wagrechten Eisen übereinandergelegt und durch Bolzen verbunden werden.
In untenstehender Quelle722) ist die Verankerung eines baufällig gewordenen Kirchturmes mitgeteilt.
| 720) Siehe: Allg. Bauz. 1837, S. 67 u. Taf. CI. ^ |
| 721) Mitgeteilt in: Wochschr. d. Ver. deutscher Ing. 1878, S. 389. ^ |
| 722) Zeitschr. d. bayer. Arch.- u. Ing.-Ver. 1871, S. 33 u. Taf. 6. ^ |
