Durm:Mauern aus ungebrannten künstlichen Steinen
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Allgemeines. (29.)
Außer den Backsteinen kommen vielerlei andere künstliche, nicht durch Brennen von Ziegelerde erzeugte künstliche Steine zur Anwendung, die hier insofern Berücksichtigung finden sollen, als sie in gleicher oder ähnlicher Größe, wie die der Backsteine, zur Herstellung von Mauern benutzt werden. Die Anfertigung solcher Steine ist teils eine seit uralten Zeiten bekannte, wie die der Lehmsteine und Lehmpatzen; teils ist sie aus dem Bestreben hervorgegangen, billigere Steine durch die
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Ersparnis des Brennens zu beschaffen, wie bei den Kalksandziegeln und den Kunstsandsteinen.
Teils sollen sie Ersatz bieten für einen nicht vorhandenen, zum Brennen
geeigneten Thon; teils will man andere billige, anders nicht ausreichend verwertbare
Rohstoffe ausnutzen; teils hat man die Absicht, sie mit besonderen Eigenschaften,
wie Leichtigkeit, geringe Wärme- und Schallleitungsfähigkeit, auszustatten,
wie sie in so hohem Grade bei Backsteinen nicht erreichbar sind; teils ist auch nur
Erfindungslust dabei im Spiele. Zumeist haben daher diese künstlichen Steine mehr
nur örtliche Bedeutung; doch gestatten manche wegen ihres geringen Gewichtes
auch weitere Versendung, wie die rheinischen Schwemmsteine und die Korksteine.
Bei der großen Zahl, die namentlich in den letzten Jahren durch Neuerfindungen
vermehrt worden ist, können hier nur die bekanntesten oder durch besondere Eigenschaften
hervorragenden Berücksichtigung finden und dies auch nur insoweit, als
eine Ergänzung des in Teil I, Band 1, erste Hälfte (S. 78 [2. Aufl.: S. 100]) Mitgeteilten
wünschenswert erscheint.
Lehmsteine oder Luftziegel. (30.)
Die Lehmsteine oder Luftziegel sind wohl das älteste künstliche Baumaterial überhaupt, haben aber heute in Kulturländern nur noch Bedeutung für landwirtschaftliche Bauten. Sie werden genau wie zu brennende Ziegel hergestellt, aber länger an der Luft getrocknet. Sie schwinden dabei um 1/20. Sandigem Lehm soll man beim Einstampfen 4 bis 6 Prozent gelöschten Kalk zusetzen, um den Steinen größere Festigkeit und Wasserbeständigkeit zu geben. Unvollkommen getrocknete Steine geben nasse und sich senkende Wände. Nach Engel69) werden sie in zwei Größen hergestellt: 30 × 14 × 8 bis 10cm, wobei sie 5 bis 7kg schwer sind, und 26 × 12,5 × 8cm, wobei sie 4,0 bis 4,5kg wiegen. Sie leisten der Nässe keinen Widerstand und können daher nur im Inneren der Gebäude Verwendung finden oder da im Aeußeren, wo sie durch hohe Sockelmauern, weit überhängende Dächer und Putzüberzug oder eine andere Verkleidung geschützt sind. Gewöhnlich wird ein Lehmputz auf ihnen angebracht. Der besser schützende Kalkputz haftet nur, nachdem ein sorgfältiger Anstrich der Wände mit heißem Teer vorausgegangen ist70) oder andere in Kap. 4 zu besprechende Anordnungen getroffen worden sind. Die Lehmsteine werden mit Lehmmörtel vermauert, dürfen aber dabei nicht angenäßt werden. Verwendet man sie in Verband mit gebrannten Backsteinen, die dann die äußere schützende Bekleidung zu bilden haben, so müssen sie selbstredend in Form und Größe der letzteren angefertigt werden. Da Verblendung und Kern derartiger Mauern sich sehr verschieden setzen, sind sie sehr wenig empfehlenswert; jedenfalls sollte man sie nur einstöckig ausführen. Zweckmäßig ist es, die Mauern unter den Balkenlagen mit Schichten aus gebrannten Steinen in Kalkmörtel abzuschließen 71).
Lehmpatzen. (31.)
Aehnliche Mängel wie die Lehmsteine haben die sog. Lehmpatzen; sie erfordern deshalb auch dieselben Schutzmaßregeln gegen Feuchtigkeit. Sie werden aus mit Wasser erweichtem Lehm mit Zusatz von 10 bis 20 Prozent geeigneten Pflanzenteilen hergestellt, wodurch das schnelle und gleichmäßige Trocknen begünstigt, jedoch die Festigkeit vermindert wird. An ihnen haftet der Putz besser, als an Luftsteinen; durch den Gehalt an Pflanzenteilen wird aber das Aufsaugen der
| 69) Siehe: Engel, F. Die Bauausführung. Berlin 1881. S. 70. ^ |
| 70) Siehe: Der Bau landwirtschaftlicher Gebäude mit ungebrannten und an der Luft getrockneten Lehmziegeln. Baugwksztg. 1885, S. 200. ^ |
| 71) Ueber den Bau mit Lehmsteinen finden sich ausführliche Mitteilungen in Haarmann's Zeitschr. f. Bauhdw. 1858, S. 33; 1866, S. 193. ^ |
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Feuchtigkeit befördert. Nach Engel72) fertigt man sie in großem und kleinem
Format: 39 × 20 × 16cm mit 18,5kg Gewicht und 37 × 15 × 16cm mit 9,0 bis
9,5kg Gewicht an.
Kalksandziegel. (32.)
Ebenfalls hauptsächlich für landwirtschaftliche Bauten bestimmt, jedoch bei weitem wertvoller, als Lehmsteine und Lehmpatzen, sind die Kalksandziegel (vergl. Teil I, Bd. 1, erste Hälfte [Art. 64, S. 125; 2. Aufl.: Art. 97, S. 141] dieses »Handbuches«). Sie sind billig, dauerhaft und leicht anzufertigen. Gewöhnlich werden sie am Ort des Baues hergestellt und sollen 40 bis 50 Prozent Ersparnis gegen gebrannte Backsteine ergeben73). Man kann sie zu allen Arten von Mauern verwenden, nur nicht zu Feuermauern, weil sie der Glühhitze nicht widerstehen. Vorspringende, stark durchfeuchtete Mauerteile zerfrieren; dagegen sollen die ebenen Mauerflächen durch den Frost nicht beschädigt werden können. Empfohlen wird jedoch, sie der Erdfeuchtigkeit durch Bruchsteinsockel zu entziehen. Sie lassen sich nicht gut zuhauen, weshalb man die erforderlichen Teilsteine besonders formen muß. Nach Böhme beträgt die zulässige Belastung von Kalksandziegeln (28cm lang, 13cm breit, 8cm stark aus 8 Teilen Sand und 1 Teil Kalk) Bernhardi's in Eilenburg, durch welchen dieselben namentlich eingeführt und verbreitet worden sind, 4,2kg für 1qcm bei 10-facher Sicherheit; sie sind indessen spröde und vertragen daher nicht Schlag und Stoß74). Eine Ersparnis wird beim Bau mit Kalksandziegeln außer durch die billige Herstellung noch dadurch möglich, daß sie keines Putzüberzuges bedürfen. Auch im Inneren kann man genügend glatte Wandflächen durch einfaches Verreiben der Fugen und Kalkanstrich erzielen.
Kunststeine. (33.)
Verwandt mit den Kalksandziegeln sind die außerordentlich zahlreichen »Kunststeine«, die unter den verschiedensten Namen gehen, in der Hauptsache aber aus Sand oder Steinbrocken oder wohl auch Straßenstaub unter Zusatz von hydraulischem Kalk, Gips oder irgend einem Cement und oft noch anderen Zumengungen, wie Wasserglas, Harzen u. s. w. hergestellt werden. Sie haben bei Böhme's Untersuchungen 75) zum Teile beträchtliche Festigkeitszahlen ergeben. Mitteilungen über derartige Steine finden sich u. a. in den unten angegebenen Quellen76).
Schlackensteine. (34.)
Sehr viel Anerkennung haben sich die aus gekörnter (granulierter) Hochofenschlacke und gelöschtem Kalk in großen Mengen gewonnenen Schlackensteine erworben. Sie werden im Normalformat hergestellt, haben einen feinen, lichtgrauen Farbton, sind wetterbeständig und verbinden sich mit dem Kalkmörtel, wenn diesem Schlackensand beigemengt wird, zu einer monolithen Masse, deren Festigkeit mit der Zeit zunimmt. Das Mauerwerk aus Schlackensteinen trocknet rasch aus, hält warm und trocken, wobei vorausgesetzt wird, daß die Steine vor der Anwendung 6 Monate Zeit zum Austrocknen gehabt haben. Die zulässige Belastung der Steine
| 72) A. a. O. — Vergl. auch Teil I, Bd. 1, erste Hälfte (Art. 16, S. 72 [2. Aufl.: Art. 35, S. 93]) dieses »Handbuches«. ^ |
| 73) Siehe: Heusinger v. Waldegg, E. Die Kalk- und Cementfabrikation. 3. Aufl. Leipzig 1875. S. 195. ^ |
| 74) Siehe: Böhme. Die Festigkeit der Baumaterialien. Berlin 1876. S. 12. ^ |
| 75) Siehe a. a. O., S. 28–32; — ferner: Mittheilungen aus den kgl. technischen Versuchsanstalten zu Berlin 1891, S. 151–239; 1894, S. 236–293. ^ |
| 76) Gottgetreu, R. Physische und chemische Beschaffenheit der Baumaterialien. 3. Aufl. Berlin 1880. Bd. I, S. 399 u. ff. — Romberg's Zeitschr. f. prakt. Bauk. 1879, S. 211. — Baugwksztg. 1880, S. 374; 1881, S. 626. — Wochbl. f. Arch. u. Ing. 1880, S. 215. — Deutsche Bauz. 1881, S. 199; 1884, S. 60. — Thonind.-Ztg. 1892, Nr. 48. — Heusinger v. Waldegg, E. Die Kalk- und Cementfabrikation. 3. Aufl. Leipzig 1875. S. 210 u. ff. — Eine sehr große Zahl von künstlichen Steinen sind besprochen in: Feichtinger, G. Die chemische Technologie der Mörtelmaterialien. Braunschweig 1885. S. 416 u. ff. — Ueber Kunststeine aus Beton siehe: Zeitschr. f. Bauk. 1881, S. 544. — Ueber künstliche Sandsteine der Sandsteingießerei »Ischyrota« siehe: Deutsches Baugwksbl. 1887, S. 476. — Baugwksztg. 1887, S. 1014. — Ueber Kunststein aus Kalksteinabfällen siehe: Baumaterialienkunde, Jahrg. 1, S. 10. ^ |
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beträgt nach Böhme77) bei 10-facher Sicherheit 4,5 bis 9,0kg für 1qcm. Sonach
sind die Schlackensteine ebenso verwendungsfähig wie die Backsteine, zeichnen sich
jedoch vor den gewöhnlichen Backsteinen durch sehr große Luftdurchlässigkeit aus.
Sie zählen nach Lang78) zu den porigsten Baustoffen und müssen daher wegen ihrer
sonstigen guten Eigenschaften den porigen Backsteinen weit vorgezogen werden79). Auch
größere Baustücke und Gesimse werden aus granulierter Hochofenschlacke hergestellt.
Durch Abwaschen mit verdünnter Schwefelsäure läßt sich die Farbe etwas verändern.
Bimssandsteine. (35.)
Noch poriger, wie die Schlackensteine, aber von weit geringerem Gewichte, dabei allerdings auch von geringerer Druckfestigkeit sind die Bimssandsteine, auch rheinische Schwemmsteine oder Tuffsteine genannt. (Vergl. Teil I, Bd. 1, erste Hälfte [Art. 81, S. 135; 2. Aufl.: Art. 101, S. 142] dieses »Handbuches«.) Sie sind besonders für das Ausführen von leichten Wänden im Inneren der Gebäude geeignet; doch werden sie vielfach auch zur Herstellung von Außenmauern benutzt, obgleich ihre Wetterbeständigkeit anzuzweifeln ist. Bewährt haben sie sich in besonders geformten Stücken bei Errichtung von russischen Schornsteinröhren.
Nach einem dem preußischen Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten von Neumann, Schnitzler und Zweck erstatteten kommissarischen Gutachten vom 5. Mai 1879 war zu dieser Zeit ein endgültiges Urteil über die Brauchbarkeit der Bimssandsteinerzeugnisse noch nicht abzugeben, da Erfahrungen und Versuche über die Steine noch nicht genügend vorlagen; doch wurde erklärt, daß sie ein höchst beachtens- und schätzenswertes Baumaterial bilden, wenn auf ihre Herstellung ausreichende Sorgfalt verwendet wird.
Daß letzteres notwendig ist, beweisen Erfahrungen, die mit wahrscheinlich mangelhaft angefertigten Steinen nach unten genannter Quelle80) gemacht worden sind. Nach derselben zersetzten sich auf Bimssandsteinwänden, auch auf verputzten Flächen, die Anstrichfarben, namentlich an solchen Stellen, an denen sich die am meisten verwitterten und lockeren Steine befanden. Als Abhilfemittel werden Tränken der Steine und Fugen mit heißem Teer, nachheriger Bewurf mit scharfem Kiessand und Verputz nach vollständigem Abtrocknen des Teers empfohlen. Die Steine sollen dadurch auch in Außenwänden dauerhafter werden. Zu beachten ist aber, daß dadurch ein Vorteil derselben, die Luftdurchlässigkeit, verloren geht.
Korksteine. (36.)
Die leichtesten bis jetzt bekannten Bausteine sind die von Grünzweig & Hartmann in Ludwigshafen am Rhein hergestellten Korksteine81). Dieselben bestehen in der Hauptsache aus durch Kalk verbundenem, zerkleinertem Korkholz und erhalten die Größe der deutschen Normalbacksteine oder die Form von Platten von 4cm Dicke, 30cm Länge und 25cm Breite, werden jedoch auch in anderen Größen und Formen hergestellt. Ein Stein im Normalziegelformat wiegt etwa 500g; das Einheitsgewicht ist durchschnittlich 0,3.
Neben dem geringen Gewichte ist die wertvollste Eigenschaft die geringe Wärmeleitungsfähigkeit. Diese soll geringer, als die aller anderen, zu ähnlichen Zwecken verwendbaren Baustoffe sein82).
| 77) Siehe: Böhme. Die Festigkeit der Baumaterialien. Berlin 1876. S. 13, 28, 29. ^ |
| 78) Siehe: Lang, C. Ueber natürliche Ventilation und die Porosität der Baumaterialien. Stuttgart 1877. S. 83. ^ |
| 79) Nach der Baugwksztg. 1885, S. 275 sollen mit der steigenden Nachfrage die Schlackensteine leider schlechter hergestellt worden sein, so daß sie z. B. in der Gegend von Osnabrück nicht mehr gekauft wurden und deshalb dort nicht mehr angefertigt werden. ^ |
| 80) Romberg's Zeitschr. f. prakt. Bauk. 1877, S. 138. ^ |
| 81) D. R.-P. Nr. 13_107. ^ |
| 82) Vergl. die Mitteilungen über die bezüglichen Versuche Grünzweig's in: Gesundh.-Ing. 1886, S. 506, 538 — sowie in: Deutsche Bauz. 1885, S. 330. ^ |
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Sie reißen und verziehen sich nicht in der Wärme und sollen bis zu 180 Grad C.
Hitze vertragen, auch nicht feuergefährlich sein, da sie wohl durch Feuer zerstört
werden, dasselbe aber nicht weiter leiten.
Sie sind der Fäulnis nicht unterworfen, sind aber gegen Nässe zu schützen. Durch einen guten Putzüberzug sollen sie jedoch gegen die Einwirkungen der Witterung genügend geschützt sein. Um sie gegen Nässe widerstandsfähiger zu machen, tränkt man sie mit Teer oder überzieht sie mit einer Pechschicht.
Ihre Druckfestigkeit beträgt im Mittel 2,8kg für 1qcm 83).
Die Steine lassen sich mit dem scharfen Maurerhammer behauen; man kann sie beschneiden und zersägen, mit Nägeln und Schrauben befestigen. Sie werden mit Kalkmörtel, dem Gips zugesetzt ist, oder auch in Gipsmörtel vermauert. Für feuchte Lage, wie beim Eiskellerbau, bei dem die besonders hergerichteten Korksteine sehr vielfach Verwendung finden, benutzt man als Bindemittel Pech oder Cement.
Nach den geschilderten Eigenschaften sind die Korksteine insbesondere zur Herstellung leichter Wände und zur Bildung schlecht wärmeleitender Umfassungen, welche keinen erheblichen Drücken oder Witterungseinflüssen unterworfen sind, brauchbar.
| 83) Nach: Centralbl. d. Bauverw. 1884, S. 239. — Nur 1,6 bis 1,9kg Druckfestigkeit besitzen die Korksteine nach der Rigaschen Ind.-Ztg. 1882, wo sie überhaupt nicht günstig beurteilt werden. ^ |
